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Geschichte von Laufenburg

Schmuzer 1707

Schmuzer 1707

 

Seit Urzeiten strömte der Rhein mit seinen 300 bis 4000 Kubikmetern Wasser pro Sekunde breit und kräftig zwischen den dunkelgrünen Hängen von Schwarzwald und Tafeljura westwärts. Bis zu einem gespaltenen Talriegel aus rotem Gneis! Hier versanken die Fluten in eine nur noch 12 Meter breite Schlucht, um sich danach in wilden Strudeln über zackige Felsnasen und ein langgestrecktes 10-Meter-Gefälle talwärts zu treiben.

Beidseits dieser «Louffen» genannten Stromschnelle entwickelte sich schon zur Zeit der Rauraker eine erste Siedlung namens Louffenberg. Einer der Gründe war sicher die ergiebige Fangstelle von Fischen. Die zu Zehntausenden geschöpften Kleinfische wurden teils geräuchert und auf Wirtstischen angeboten, teils gedörrt und als Viehfutter auf die Märkte gebracht. Hingegen die mittels Bähren, Geeren und Reusen tonnenweise gefangenen Meerlachse konnten als begehrte Leckerbissen in Fässer verpackt bis nach Ravenna, Paris und Innsbruck verkauft werden.

Ein zweiter Siedlungsgrund lag in der einmaligen Situation zur Überbrückung des Rheins (urkundliche Ersterwähnung im Jahre 1207), denn erst eine solche ermöglichte einen direkten Rheintal-Strassenverkehr zwischen Elsass und Bodenseegebiet. Diese Brücke galt es zu unterhalten und gegen kriegerische und natürliche Gefahren zu sichern (Messungen am Brückenpfeiler zwischen 1876 und 1891 ergaben zwischen tiefstem Nieder- und höchstem Hochwasser einen Niveauunterschied von 17,7 Meter!).

Aber nicht nur für die stromaufwärts ziehenden Fische bedeutete der Laufen ein Hindernis, sondern auch für die Schiffahrt, für die Warenbeförderung vom Gotthardverkehr, aus dem Salzkammergut und aus dem Bodenseebecken Richtung Elsass und Holland. Laufenknechte und Karrer standen zur Verfügung, um die Schiffe oberhalb der gefährlichen Stelle zu entladen, sie leer durch die Schnellen hindurchzuseilen und das Warengut auf Karren um diese kritische Stromstrecke herumzufahren.

Bereits im 12. Jahrhundert machte man sich auch das rechtsrheinische Steilufer nutzbar. Durch zwei heute noch bestehende Wühren führte man bis 26 Kilometer weit her die Wasser des Schwarzwaldes, um hier Wasserräder für Papier-, Öl- und Getreidemühlen, vor allem aber 18 Eisenschmelzöfen (sogenannte Bläjen) und die dazugehörigen Hämmer zu betreiben. Das Linsenerz wurde aus den offenen Gruben von Wölflinswil herangekarrt, und die in doppelter Gewichtsmenge benötigte Holzkohle kam aus den sich immer tiefer in den Schwarzwald hineinfressenden Köhlereien. Das hier erzeugte Roh- und Schmiedeeisen konnte für Werkzeugbau und Kriegsrüstung an Vorderösterreich und später auch an die Eidgenossenschaft verkauft oder in eigenen Werkstätten verarbeitet werden, so in den vielen Nagelschmieden Laufenburgs, im Sulz- und im Metttauertal.

Da seit karolingischer Zeit nicht nur das Gebiet am Rhein, sondern auch grössere Landschaften des Breisgaues, des Zürichgaues bis nach Zug, in die Innerschweiz und nach Glarus zur Grundherrschaft des vom Hl. Fridolin im 7. Jahrhundert gegründeten Klosters Säckingen gehörten, führten deren Gutshofbesitzer ihre Zehnten hierher, nicht direkt auf die Rheininsel des königlichen Damenstifts, sondern zu deren Vermarktung nach Laufenburg. Die Schutzmacht zur Verwaltung und Sicherung aller äusseren Rechte und Geschäfte hatten die Kosterfrauen den Grafen von Baden und Lenzburg, nach deren Aussterben im Jahre 1173 den aus dem Elsass stammenden Grafen von Habsburg übertragen. Rudolf II. Baute dann den strategisch, handelspolitisch und wirtschaftlich bedeutenden Ort Lauffenburg (gemäss Urkunde von 1207) zur befestigten Stadt aus.

Nach dessen Tod teilten sich seine beiden Erben in eine ältere habsburg-österreichische und eine jüngere habsburg-laufenburgische Linie. Zur letzteren gehörten die Gebiete im südlichen Aargau, im Zürichgau bis nach Zug und Willisau und an den Vierwaldstättersee. Wiewohl durch geschickte Verheiratungen der Besitz noch auf das Gebiet der Homberger und der Rapperswiler ausgedehnt werden konnte, mussten wegen unglücklicher Kriegsbeteiligungen die meisten Rechte an die Stadt verpfändet und schliesslich 1386 die ganze Herrschaft an Herzog Leopold, die ältere Linie, verkauft werden. Seither bis 1801 teilten so Laufenburg und das Fricktal als treue kaiserlich-königliche Anhänger österreichische Weltpolitik und österreich-habsburgisches Schicksal.

Wohl legte 1479 am Tag der Kirchweihe ein Grossbrand 130 Häuser in Asche, rissen Hochwasser mehrmals die Rheinbrücke weg, wütete dreimal die Pest und litt die Stadt während der 300 Jahre langen Auseinandersetzungen der beiden europäischen Grossmächte Frankreich und Österreich, insbesondere im zerstörerischen 30jährigen Krieg. Doch es folgten immer wieder ruhigere Zeiten blühender Wirtschaft und Kultur, aus der unvergängliche Werke in unsere Zeit hineinragen.

Eine der glücklichsten Epochen waren die letzten Jahrzehnte unter österreichischer Krone, als Maria Theresia, die Landesmutter, und ihr Sohn Joseph II. mit ihrer genialen Steuerreform, einer allgemeinen Gebäude-Feuerversicherung, einer neuen Magistratsordnung und Schulreform, mit kirchlichen Reformen und einem weitsichtigen Forstgesetz wohl Europas beneidenswerteste Landesregierung darstellten.

Doch Napoleon Bonaparte drehte das Rad der Zeit auf die andere Seite. Nachdem sein Revolutionsheer die vier Waldstädte am Rhein geplündert, die Laufenburger Brücke niedergebrannt und in der Lombardei gegen Österreich einen Sieg erfochten hatten, schlug er 1801 das Fricktal an Frankreich, um es alsdann gegen das Wallis an die Helvetische Republik abzutreten. Der Rhein wurde gleichzeitig zur neuen Landesgrenze erklärt und damit das beidseits des Stroms liegende Laufenburg geteilt: rechtsrheinisch dem Grossherzogtum Baden und linksrheinisch dem 1 Jahr und 10 Tage dauernden Kanton Fricktal, ab 1803 dem neu gegründeten Kanton Aargau zugeordnet.

Das nunmehr schweizerische Laufenburg konnte diese Stadtteilung bei der 1/3 der Einwohner und 2/3 des Gemeindebannes an ein anderes Staatswesen übergingen, kaum mehr verkraften, denn der Rhein, der bis dahin Mitte und Lebensachse war, wurde fortan zur Trennung. Hinzu kam, dass der Warenverkehr mehr und mehr von den Flüssen auf die Strassen und später auf die Schienen verlegt wurde. Doch solche entstanden nur auf badischer Seite. Schweizerseits geriet das obere Rheintal völlig ins Abseits. Erst 1892 erhielt man eine eigene Eisenbahnlinie, und erst 1936 wurde bei Koblenz eine Aarebrücke erbaut und damit auch schweizerseits eine durchgehende Rheintalstrasse ermöglicht.

Inzwischen aber waren die vielen Handwerker, die Laufenknechte und Karrer, die Schmiede und das mit den grossen Märkten verbundene Erwerbsleben einem aussichtslosen Schicksal ausgeliefert. Es blieben einzig die Fischerei und bis Mitte des 19. Jahrhunderts die seit dem 16. Jahrhundert florierende Flösserei von Rundholz. (Im Jahre 1850 waren es über 2500, 1856 sogar über 4000 Flosse.) Doch bald darauf übernahm die Eisenbahn deren Transport. Auch die Fischerei als letztes altes Gewerbe musste schliesslich samt den Stromschnellen, diesem einzigartigen dramatischen Wahrzeichen Laufenburgs, einem eine neue Zukunft verheissenden Kraftwerkbau geopfert werden.

1906 bis 1914 wurden 300'000 Kubikmeter des Felsufers ausgesprengt und unterhalb der Enge die Wasser durch ein flussüberquerendes Wehr um 10 Meter hochgestaut. 50'000 Pferdestärken leisteten die 10 Turbinen und Generatoren der damals in Europa grössten Wasserkraftanlage.

Seither entwickelte sich das finanziell sich erholende Gemeinwesen ausserhalb ihrer alten Türme und Tore in einer Art Gartenstadt. Als neue Gewerbe- und Industriebetriebe entstanden: ein Textilunternehmen, eine Buchdruckerei, ein Baugeschäft, ein keramisches Werk, verschiedene Holzverarbeitungs- und Holzhandelsbetriebe und 1956/57 ein Unternehmen von internationalem Gewicht: die Schaltanlage der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg AG als Wiege und Drehscheibe des europäischen Verbundnetzes.

Kern von Laufenburg ist aber nach wie vor die geschichtsträchtige Altstadt geblieben. Zwar wird die steil aufragende Gneiskuppe nicht mehr vom mächtigen Habsburgerschloss gekrönt, denn von ihm schauen nur mehr angebrochene Gemäuer, Turmstümpfe und ein leerer Bergfried durch die von Bäumen und Sträuchern bewachsene Anlage. Doch die von trutzigen Türmen bewachten Stadtmauern und die satten rheinseitigen Häuserzeilen schliessen noch immer das von schmalen Gassen und kleinen Plätzen durchaderte Stadtinnere. Die untere, ältere Altstadt ist von streng hierarchischen Aufbau: auf der untersten Ebene die dichtgedrängten Bürgerhäuser, auf einer ersten Erhöhung das Rats- und Gerichtshaus mit den Herrenhäusern der Kapläne und Ministerialen, nochmals höher die Stadtkirche und das Pfarrhaus und zuoberst das Schloss der weltlichen Schutzherren. Die 80 Jahre später entstandene und in die Wehranlage eingegliederte Vorstadt „Wasen" besetzt westlich davon den Hang zur hochgelegenen Talebene.

Das reizvolle Auf und Ab der Gassen und Treppen, die privaten Hinterhöfe und Gärtlein, die Plätze mit den acht- bis zwölfeckigen Brunnenbecken (der am Laufenplatz wird noch heute von einer badischen Quelle gespeist), das lebendige Spiel der Türme und Dächer, der Fassaden, der Hausstiegen und der bunten Pfästerung wird seit Jahrzehnten mit besonderer Sorgfalt gepflegt. 1972 wurde sie als Objekt von nationaler Bedeutung unter eidgenössischen Denkmalschutz gestellt und 1985 mit dem begehrten Henri-Louis-Wakker-Preis des Schweizerischen Heimatschutes ausgezeichnet. Seither beleben Einzeltouristen und kundig geführte Besuchergruppen den ruhigen Alltag der Gassen, die renovierte gotische Stadtkirche St. Johann mit ihrem festlich barockisierten Innern oder den mit einer zarten Rokokodecke gezierten Gerichtssaal, von dessen Wänden noch immer die portraitierten Machthaber Maria Theresia, Kaiser Franz Stephan und Joseph II. auf unsere heutige, über demokratische Eidgenossen gehaltene Rechtssprechung blicken.

Die reiche Geschichte und Kultur spricht nicht nur aus den vielen Baudenkmälern, sondern auch aus den unzäligen Werken der bildenden Kunst, so in einem reichen Kirchenschatz von Gemälden, Figuren, Gold- und Silberschmiedearbeiten, in den Werken der Gebrüder Fischer, die nach 1620 auch das so herrlich geschnitzte Chorgestühl von Beromünster schufen, - in den prächtigen Stuckdecken von Lucius Gambs (Gerichtssaal, Museum Schiff, Brentano-Haus), der sich auch mit den beiden Pfarrkirchen Mettau und Zurzach einen Namen machte, - oder in den unzähligen Laufenburger Veduten, Zeichnungen, Stichen und Bildern eines Anhardt, Merian, Gmelin, Schmutzer, Bleuler, Turner, Thoma, Rahn, Saugy, von Alten und vieler anderer, die im Museum Schiff gezeigt werden.

Auch in der Literatur finden sich unvergängliche Werke: der älteste erhaltene Privatbrief in deutscher Sprache von Graf Rudolf III. (1313), das lyrisch zarte Minnelied des Grafen Johann II. (1350) „Ich weiss mir ein blümli blawe von himmels klarem Schin...", die geistlichen Lieder Heinrich Louffenbergs (1390 - 1460), wie etwa „Ich wölt dz ich doheime wer / und aller welte trost enber...", das 25strophige Laufenburger Lied des Hans von Anwil über den ergebnislosen Zug der Berner, Solothurner und Basler vor Laufenburg (1443), die drei Lieder des Matthias Zoller über die Burgunderkriege in Blamont, Murten und Nancy (1476) oder letztlich auch die 33 Abenteuerromane des Ernst Friedrich Löhndorff (1899 - 1976), dessen Nachlass von der Vereinigung der Kunstfreunde am Rhein in Laufenburg betreut wird. Als Komponist und Dirigent schuf Hermann Suter (1870 - 1926), der in Laufenburg seine Jugend verbracht hatte, viele Lieder, Chorwerke und Festspiele, vor allem das auf dem hiesigen Schlossberg konzipierte Oratorium „Le laudi di San Francesco d'Assisi". Und von Friedrich Haas, der als bester Orgelbauer des 19. Jahrhunderts galt, stammen die Orgelwerke der Neumünsterkirche in Zürich, der Stadtkirchen Winterthur und Zofingen, der Münster von Bern und Basel und das gewaltige Orgelwerk der Hofkirche Luzern.

Seit Jahrhunderten haben sich in unserem Stadtgemäuer auch viele Sagen erhalten, vor allem aber aus vorchristlicher magischer Zeit die Fasnacht. Wenn heute kaum mehr einer daran glaubt, mit dem Lärm der Tschättermusik die bösen Wintergeister vertreiben oder durch die Narronen mit dem Auswerfen von Nüssen und gedörrtem Obst die Fruchtbarkeitsgötter günstig stimmen zu können, ist Fasnacht ein gemeinsamer, grenzüberschreitender Grossanlass geblieben. Dann gilt: zwei Nationen - eine Stadt.

Die Kontakte über die Landesgrenze sind heute vielseitig und freundnachbarlich: die Frauen machen wechselseitig ihre Einkäufe, die Vereine werben ihre Mitglieder von hüben und drüben, Feste werden meist zusammen gefeiert, auch der alljährliche dreitägige Herbstmarkt. Der Museumsverein und die Kulturkommission „Brücke" führen ihre Anlässe für die Leute beidseits des Rheins durch, und täglich wechseln über tausend badische Arbeits-Grenzgänger über die Rheinbrücke. Brugge sind zum drüber go.

Auch für die Region des obern Fricktals hat Laufenburg seine besondere Bedeutung, so als Sitz der Bezirksverwaltung, des Bezirksgerichtes, des Bezirksspitals, eines Altersheimes sowie als Schul- und Sportzentrum.

So blieb Laufenburg mit seiner mittelalterlichen Altstadt ein anziehendes Kleinod und ein lebendiger kultureller und gesellschaftlicher Kontaktort am Hochrhein.